Originelle Inszenierung des LTT mit dem Dauerbrenner von Carlo Goldoni.
Diese 250 Jahre alte Komödie katapultiert den Diener in die Jetztzeit. Ohne soziale Hängematte muss er sein Geld als Zeitarbeiter im Dienstleistungsgewerbe verdienen – eine Arbeit im Billiglohnsektor. Das hat was ;-).
Als viel beschäftigter Diener Truffaldino macht Patrick Schnicke eine gute Figur. Er versucht, seinen beiden Chefs gleichzeitig das Mittagessen zu servieren, rennt von einem Esszimmer ins andere. Kaum legt er das Geschirr unter Geklapper vorn an der Rampe ab, packt er schon neues Geschirr und rennt zur anderen Seite. Er stellt sich dumm und ist dann tatsächlich der Dumme. An seinem Mienenspiel liest das Publikum seine Gedanken ab; seine Gestik überspringt schon mal die Ekelgrenze. Ein Schrank von einem Mann, der klein und unterwürfig werden kann, um sich von seinen Chefs verprügeln zu lassen.
Britta Hübel als Beatrice in Männerkleidern tritt genau so bestimmt auf wie ihr wieder gefundener Liebhaber Florindo Martin Schultz-Coulon – die beiden Herren, denen Truffaldino dient.
Gotthard Sinn springt kurzfristig für den erkrankten Udo Rau als Pantalone ein – gut gespielt, wenn auch mit dem Textbuch in der Hand. Das gebraucht er so selten, dass es fast für ein Requisit gehalten werden könnte. Als er seiner Tochter Clarice (Margarita Wiesner) eröffnet, dass sie nun doch den ungeliebten Frederigo heiraten müsse, erwidert sie es mit einem derart lauten und lang anhaltendem Neiiiiiin, dass so manch einer im Publikum schon nach einem Abschaltknopf suchte.
Christian Beppo Peters stellt einen Gastwirt dar, in dessen Kaschemme wohl so leicht keiner freiwillig unterkommen möchte. Raúl Semmler verausgabt sich als Quasi-Schwiegervater Dottore Lombardi, der die Mitgift des reichen Pantalone schon davon fliegen sieht. Schleimig umgarnt er ihn, wenn er seinen unnützen Sohn Silvio anpreist. Wütend und beleidigend reagiert er, wenn Pantelone seine Tochter samt Mitgift dem vorigen Kandidaten geben will. Schnell kommt er aus der Rolle der beleidigten Leberwurst heraus, als sein Sohn Silvio wieder im Gespräch ist.
Inszenierung, Bühne, Kostüme
Michael Helle hat dieses Stück, „Diener zweier Herren“ von Goldoni, von der Ausstattung her in eine undefinierbare Jetztzeit gelegt, und keinem fällt auf, dass es schon über 250 Jahre alt ist.
Ein rundes Silo mit doppelter Wand ragt in die Bühne, seitlich zwei Türöffnungen. Sie geben den Blick frei auf die Innenwand; dazwischen ein breiter Gang. Von hier kommen und da hinein verschwinden die Personen.
Herausragend die Kostüme (Achim Römer) des verhinderten Liebespaares. Silvio (Raúl Semmler), der Möchtegernbräutigam, kommt als Elvis-Double daher, mit Gel im Haar und Supertolle. Clarice (Margarita Wiesner), die Braut zweier Bräutigams, ist passend dazu im gepunkteten Kleid mit Petticoat gekleidet. Beide legen im Vorspiel eine flotte Rock ’n‘ Roll Nummer aufs Parkett. Schon an der Kleidung kann das Publikum sehen, wer zusammen gehört.
Truffaldino begnügt sich mit abgewetzter Proletarierkleidung. Der Anzug könnte auf einen Zimmermann hindeuten, die Pudelmütze auf einen Seemann. Die Herren tragen Büro/Banker/Manager-Anzüge. Der graue Einreiher der Beatrice ist etwas zu groß geraten – sie trägt ja auch die Kleidung ihres verstorbenen Bruders.
Temporeich kommt diese Inszenierung daher. Eine gelungene Aufführung mit einem spielfreudigen Ensemble.
Diener Zweier Herren: Landestheater Württemberg-Hohenzollern Tübingen Reutlingen [LTT]
Regie: Michael Helle
Ausstattung : Achim Römer
Dramaturgie: Armin Breidenbach
Besetzung am 1. März 2011 in Kirchheim unter Teck:
Truffaldino: Patrick Schnicke
Beatrice / Federigo Rasponi: Britta Hübel
Florindo Aretusi, Beatrices Liebhaber: Martin Schultz-Coulon
Pantalone de Bisognosi: Gotthard Sinn
Dottore Lombardi: Benjamin Kradolfer Roth
Silvio: Raúl Semmler
Clarice, Pantalones Tochter: Margarita Wiesner
Smeraldina, Beatrices Zofe: Nadia Migdal
Brighella, ein Gastwirt: Christian Beppo Peters
Gepäckträger / Kellner: Hartmut Pfeil
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DER DIENER ZWEIER HERREN von Carlo Goldoni