Lohengrin, in der Inszenierung von Hans Neuenfels, läuft im Bayreuther Festspielhaus von 2010 bis 2015. Dieser „Ratten-Lohengrin“ ist beliebt bei denjenigen, die ihn gesehen haben – unbeliebt bei denjenigen, die ihn nicht gesehen haben und nicht sehen wollen.
Lohengrin und Ratten? Zwischen Comic und Bauhaus
Schon vor der Premiere am 25. Juli 2010 wirbelte die Neuinszenierung von Hans Neuenfels viel Staub auf.Was ist daran so besonders?
Rechts und links werden Türen – wie Feuerschutztüren oder stählerne Luken – geöffnet. Ratten strömen herein, auf den Hinterbeinen mit kleinen Trippelschritten. Schwarze Ratten, soweit man schaut. Sie stehen auf riesigen nackten Füßen mit spitzen Krallen, als ob sie Männchen machen. Die Hände schauen aus den kurzen Ärmeln – lange Finger mit spitzen Krallen.
Was haben sie in der Oper Lohengrin zu suchen?
Sie singen die Partien, die Telramunds Mannen (Männer) singen. Es folgen weiße Ratten, die Mannen der Elsa von Brabant.
Inhalt der Oper Lohengrin
In dieser Oper geht es um Erbstreitigkeiten, die vor dem König als Gerichtsherrn ausgetragen werden. Der Herzog von Telramund beansprucht ein Fürstentum, das seinem Mündel Elsa von Brabant gehört. Einst wollte er sie heiraten, machte aber eine noch bessere Partie mit der Friesenfürstin Ortrud. Vor dem König beschuldigt er Elsa, ihren Bruder ermordet zu haben. Elsa bestreitet alles. Zu Hilfe kommt ihr ein edler Ritter, der Telramund nicht nur besiegt,sondern ihm auch das Leben schenkt, was sich als Fehler herausstellen soll. Telramund und Ortrud stacheln Elsa an, nach dem Namen des Ritters zu fragen, denn dieses Nichtfragen war die einzige Bedingung des Ritters, der – statt hoch zu Ross – auf einem Schwan daherkam. Kaum stellt Elsa die unerwünschte Frage, entschwebt er auf seinem Schwan, der dafür Gottfried, Elsas tot geglaubten Bruder, zurück bringt. Ausführlich siehe -> Inhalt / Handlung: Lohengrin
Lohengrin gehört zu den oft gespielten Wagneropern, zur Freude der Ausstatter und Regisseure.
Erfreulich, dass mit der jetzigen Inszenierung von Hans Neuenfels eine weitere Variante hinzugefügt wird. Der Chor zeigt sich in Kostümen (Reinhard von der Thannen), die einem Comic entsprungen sein könnten, während das Bühnenbild einer Bauhausvilla ähnelt, mit klaren Formen – Kreise, Rechtecke, wohl proportioniert. Je nach Beleuchtung und Blickwinkel kann es auch wie ein Versuchslabor aussehen.
Sobald Telramund (Hans-Joachim Ketelsen mit passender rauer Stimme) Anklage beim König (Georg Zeppenfeld) erhebt, wird von oben eine Leinwand herabgelassen und – wie oft in Neuenfels‘ Inszenierungen – ein Film gezeigt. Das Besondere: ein Trickfilm (Björn Verloh), in dem Ratten die Protagonisten der Oper darstellen.
Lohengrin zieht Elsa (Annette Dasch mit lieblichem Sopran), die aussieht wie nach einer Indianer-Attacke, die Pfeile aus dem Rücken. Die melodische Stimme von Jonas Kaufmann könnte noch Kult werden, denn er verfügt über die unnachahmliche Art der Artikulation. Jedes Wort lässt er mindestens dreimal durch den Kehlkopf kullern, bevor er es seinen Zuhörern übergibt. Ortruds (Evelyn Herlitzius) Anzug glänzt wie aus Stahlgewebe gefertigt. Sie spielt die harte Frau, die Telramund anstachelt. Passend hart und böse klingt auch ihr Gesang.
Diese Inszenierung macht es den Zuschauern leicht
Das Publikum lauscht der Musik des Bayreuther Festspielorchesters unter der Leitung von Andris Nelsons und kann der Handlung leicht folgen, denn Sänger/Solisten singen und agieren vorn. Die Hauptsache spielt sich also, bei einer voll ausgeleuchteten Bühne, im Vordergrund ab; der Chor, unter der Leitung von Eberhard Friedrich, bildet den Hintergrund. Durch die Farben ihrer Kostüme sind die Figuren klar zu unterscheiden.
Lohengrin in Bayreuth zeigt sympathische Ratten im Versuchslabor
Der Vorhang geht auf, vorn auf der Bühne steht eine Wand, vollkommen weiß – klinisch weiß. Ein Mann versucht, die riesige Automatik-Schiebetür zu öffnen. Er drückt dagegen und schiebt damit, unter Aufgebot seiner Kräfte, die riesige Wand nach hinten. Am Ende des Lohengrin-Vorspiels blicken die Zuschauer in ein Labor mit Sicherheitstüren an den Seiten, um Versuchstiere herein zu lassen. Die Sehschlitze oberhalb sind zum Beobachten bestimmt. Besonders die Damen zeigten sich in der Pause äußerst begeistert von dem Knack-Gesäß des Lohengrin (Jonas Kaufmann). Über das gesamte Vorspiel hinweg streckt er es den Zuschauerinnen entgegen. Erotik, die nichts mit den plumpen Sexszenen im Parsifal gemein hat. Etwas, was die Fantasie anregt – besonders die weibliche.
Und der (Bühnen)Himmel hängt voller Rattenschwänze
Statt mit kriegerischen Speeren erscheinen Telramunds Mannen als Versuchstiere, die unter Laborbedingungen aufeinander losgelassen werden. Trotz ihres Aussehens wirken sie sympathisch. Elsas Mannen – weiße Ratten – mischen sich unter die Schwarzen.
Nachdem Telramund (Hans-Joachim Ketelsen) besiegt ist, lassen sowohl die weißen als auch die schwarzen Ratten ihr Fell fallen und heraus kommen sonnengelbe Pinguine. Siehe -> … wird getrübt durch die Ankunft eines Ritters, der just in letzten Moment auf seinem Schwan anreist. Er besiegt nach kurzem Kampf Telramund…
Die Rattenkostüme werden von den Laboranten an heruntergelassene Haken gehängt und hochgezogen. Von der Bühnendecke herab hängen dekorativ – gefühlte hundert – Rattenschwänze.
Ratten verwandeln sich später in Menschen; streifen das Rattengewand ab. Als Hochzeitsgesellschaft tragen sie darunter schwarze Anzüge. Die Damen trumpfen auf in eleganten, puderfarbenen Taftkleidern über Petticoats, auf dem Kopf einen roten, gelben oder blauen Wischmopp, im Kreuz einen armdicken Schwanz befestigt, der wie ein Pumpenschwengel bis auf den Boden reicht. Sie marschieren aus allen vier Ecken diagonal in die Mitte zu einer Art Squaredance – beeindruckend!
Klare Farben, raffinierte Kostüme
Schwarz tragen Telramunds Mannen, die sich in Gelb verwandeln – eine eigene Farbe. Auch der König (Georg Zeppenfeld) in Schwarz, schwarze Krone auf dem blanken Schädel; schwarzes Unterhemd unter dem schwarzen Kurzmantel. Er hockt auf der Kante des roten Sessels.
Eine schwarze Kutsche – innen weiß ausgeschlagen – mit Achsenbruch, davor ein lebensgroßer toter Rappe, Ortrud (Evelyn Herlitzius) und Telramund an der Deichsel angebunden. Beide tragen stahlgraue Anzüge, wie aus Metallgewebe. Siehe -> „Sie spielt die harte Frau, die Telramund anstachelt. Passend hart und böse klingt auch ihr Gesang…„
Lohengrin, Elsa und ihr Gefolge tragen die Farbe Weiß.
Elsa (Annette Dasch) trägt Weiß wie ihre Mannen. Bezaubernd mutet Elsas weißes Hochzeitskleid an. Der kreisförmige, bodenlange Rock besteht aus weißen Schwanendaunen.
Ortrud trägt das gleiche Kleid – als Trauerschwan. Ihre schlanken Oberkörper schwingen elegant wie Schwanenhälse. Beide lassen nach ihrem Abgang schwarze und weiße Federn auf dem Boden. Im Großformat siehe -> Lohengrin und Ring für Kinder – Public Viewing der Bayreuther Festspiele 2011
Der erste Schwan fällt gerupft vom Himmel
Im zweiten Akt unterhält sich Elsa, in einem nach vorn offenen Glaskasten, mit einem mannshohen Porzellanschwan. Elsa und der Schwan verdoppeln sich durch die Spiegelung.
Und im dritten Akt schiebt sich ein schwarzer Sarg nach vorn, mit einem Riesen-Schwanenei, aus dem der junge Gottfried steigt. Siehe -> … der Schwan aufgetaucht, der ihn wieder dahin bringt, wo er hergekommen ist. Als Trost hat er den totgeglaubten Gottfried mitgebracht…
Ein embryoartiges Wesen mit babyähnlichen Wasserkopf, dünnen Beinen und aufgeblasenem Kugelbauch, an dem noch eine Nabelschnur hängt. Die zerreißt er und wirft die Stücke in die Umsitzenden.
Diese Lohengrin-Inszenierung korrespondiert mit den Aktualitäten unserer Zeit. Gottfried könnte einem Monsterfilm entstiegen sein, aber das Volk bejubelt ihn – armes Brabant!
Lohengrin – Bayreuther Festspiele
Besetzung 2010
Musikalische Leitung – Andris Nelsons
Regie – Hans Neuenfels
Bühnenbild – Reinhard von der Thannen
Kostüme – Reinhard von der Thannen
Licht – Franck Evin
Video – Björn Verloh
Dramaturgie – Henry Arnold
Mitarbeit Konzeption – Susanne Øglænd
Chorleitung – Eberhard Friedrich
Lohengrin – Jonas Kaufmann
Heinrich der Vogler – Georg Zeppenfeld
Elsa von Brabant – Annette Dasch
Friedrich von Telramund – Hans-Joachim Ketelsen
Ortrud – Evelyn Herlitzius
Der Heerrufer des Königs – Samuel Youn
1. Edler – Stefan Heibach
2. Edler – Willem Van der Heyden
3. Edler – Rainer Zaun
4. Edler – Christian Tschelebiew
Lohengrin in Bayreuth 2011 – Klaus Florian Vogt statt Jonas Kaufmann
Als Sternstunde kann diese Vorstellung bezeichnet werden, sowohl von Darstellung und Inszenierung (Hans Neuenfels) als auch vom Musikalischen – phänomenal! Sänger, der Chor unter der Leitung von Eberhard Friedrich und das Festspielorchester unter der Leitung von Andris Nelson brillieren.
Neu ist die Besetzung des Lohengrin
Statt Jonas Kaufmann singt jetzt Klaus Florian Vogt – beide Sänger sind Idealbesetzungen für diese Rolle. Beide bringen viel Persönlichkeit und einen eigenen Stil mit hinein. Ein Glücksgriff für diesen Lohengrin.
Lohengrin und Elsa – dramatisch!
Klinisch Weiß, kalt beleuchtet (Franck Evin), wirkt der Bühnenraum. Die Ratten kleiden sich schwarz und weiß. Im ersten Akt, sobald Lohengrin erscheint, häuten sie sich. Wenn sie ihre Haut abstreifen und an heruntergelassene Haken hängen, kommen sonnenblumenfarbene Fräcke hervor, mit gelben Strohhüten. Von den Wärtern werden sie zur Seite gedrängt, damit Elsa (Anette Dasch) und Lohengrin sich beschnuppern können. Als jedoch Lohengrin der Elsa seine Liebe gesteht “Elsa, ich liiiiebe dich“ und ihr ins Gewissen ruft: „Niiiie!! sollst du mich befragen“ (Klaus Florian Vogt lässt den Bühnenboden erbeben) kommen sie aus ihren Löchern, als hätten sie hinter den Türen gelauscht. Auch Heinrich der Vogeler (Georg Zeppenfeld) springt zur Tür herein, gefolgt von Telramund (Tómas Tómasson) und dem Heerrufer (Samuel Youn).
Der Chor der Ratten-Mannen, die Lohengrin hochleben lassen, wird fast zum Ballett.
Hut auf – Hut ab – Hut in einer theatralischen Geste ans Herz, Tatzen vor und zurück. Maurice Chevalier hätte es nicht besser gekonnt. Gelegenheiten für die kleinen Lacher zwischendrin gibt es genug. Kleine Slapstick-Einlagen, lustig und spannend. Zwischenspiele mit einem Chor von kleinen rosa Mäuschen, der mit einem Regenschirm von einer weißen Mausdame dirigiert wird. Sie gehören nicht dazu, stören aber auch nicht – im Gegenteil.
Petra Lang als neue Ortrud singt melodischer. Leider fehlt ihrer Stimme das metallisch Böse von Evelyn Herlitzius, der Ortrud des vorigen Jahres. Auch deren Lachen klang gefährlicher. Ansonsten ist die Ortrud vom Gesang als auch von Mimik und Gestik wundervoll besetzt.
Spannend veranschaulicht der Trickfilm von Björn Verloh die Geschichte.
Die Rosa Maus, eine weiße Maus und der Kampf um die Krone, die immer wieder aufersteht. Mal fällt ein Tropfen Blut herunter und formt sich zur Krone, mal verformt sich ein Felsen, über den die Mäuse jagen.
Diejenigen, die diese Inszenierung schon vom vorigen Jahr kennen, können entspannter hören und sehen – es gibt viel zu entdecken. Auf der Riesenleinwand sehen Mimik und Gestik der Sänger eindrucksvoll aus, siehe -> Lohengrin und Ring für Kinder – Public Viewing der Bayreuther Festspiele 2011
Lohengrin mit Wolkenbruch – Public viewing der Bayreuther Festspiele 2011
Im 1. Akt scheint noch die Sonne.
In der Pause ziehen schnelle dunkle Wolken auf.
Am Anfang des 2. Aktes regnet es wie aus Kübeln, es grummelt und blitzt.
Besucher der Lohengrin-Oper rüsten sich für einen „kleinen“ Regenschauer.
Noch ist der Moderator Axel Brüggemann optimistisch. Es ziehen zwar dunkle Wolken auf, aber die werden nur einen kleinen Schauer bringen. Katharina Wagner und er stehen ständig in Kontakt mit dem deutschen Wetterdienst. Hier hat man ihnen bestätigt, dass nach dem kurzen Schauer die Sonne scheinen wird. Außerdem gibt es kostenlose Regencapes.
Die Zuschauer glauben es ihm gern. Bis kurz vorher hat die Sonne noch geschienen. Schirme wurden da zwar schon aufgespannt, aber lediglich, um die Sonnenstrahlen abzuwehren. Wer keinen Sonnenhut mitgebracht hatte, bastelte sich einen aus der Festivalzeitung und genoss die Opernübertragung aus dem Festspielhaus.
Ein dickes Lob für diese Organisation!
Nach einem besorgten Blick zum Himmel geht das erste Drittel der Zuschauer. Die anderen hüllen sich fröhlich in die durchsichtigen Plastikhüllen. Dann beginnt es zu regnen – in der Tat aus heiterem Himmel heraus. Noch hört man es überall kichern und glucksen. Dann beginnt der Sturm, und jeder hat damit zu tun, die Plastikplanen um den Körper herum zu halten. Schirme werden aufgespannt und lassen das Wasser zum Sitznachbarn laufen. Andere Schirme klappen um und erreichen beim Zurückklappen ebenfalls den Sitznachbarn.
Im 2. Akt setzt der Wolkenbruch ein
Die Zuschauer von hinten bitten lautstark darum, die Schirme zuzuklappen, damit sie etwas sehen können. Wie mit Zauberhand verschwinden die Regenschutze, denn jeder hat sowohl vorn jemanden, der die Sicht verstellt als auch hinter sich jemanden, der sehen möchte. Jetzt zeigt sich erst, was trocken und was nass geblieben ist. Die Schuhe sind durchgeweicht, obwohl die Füße nicht den Boden berührt haben. Die Hose ist bis zum Knie kalt und feucht. Rückzug scheint die sicherste Maßnahme gegen Erkältung zu sein. Auf geht’s im Storchengang durch knöchelhohe Pfützen. Eine Karawane von durchsichtigen Plastikumhängen rauscht Richtung Ausgang.
Ein Blick zurück zeigt, dass noch ungefähr die Hälfte des Publikums auf den Stühlen ausharrt. In den Zelten mit den Restaurants stehen Zuschauer dicht an dicht und blicken zur Leinwand. Mit dem Ende des zweiten Aktes scheint auch wirklich die Sonne – wie vom Deutschen Wetterdienst vorhergesagt. Allerdings ging sie nicht rot, sondern ziemlich gelb unter. Das verheißt Regen für den kommenden Tag, siehe -> Wetterprognose: Sonnenschein und schönes Wetter (Es regnete in der Nacht und hörte um 10 Uhr am Morgen auf. Danach schien die Sonne)
Besetzung Lohengrin 2011:
Lohengrin – Klaus Florian Vogt
Heinrich der Vogler – Georg Zeppenfeld
Elsa von Brabant – Annette Dasch
Friedrich von Telramund – Tómas Tómasson
Ortrud – Petra Lang
Der Heerrufer des Königs – Samuel Youn
1. Edler – Stefan Heibach
2. Edler – Willem Van der Heyden
3. Edler – Rainer Zaun
4. Edler – Christian Tschelebiew
Lohengrin in Bayreuth 2012 – Galerie mit perfekter Akustik
Auch diese Spielzeit 2012 geht zu Ende. Interessant sind die Pausengespräche der Zuschauer – alle (für mich hörbaren) äußerten sich positiv über diese Inszenierung.
Das wundert mich nicht, denn damit teilen die Wagnerianer meine Begeisterung für diese extravagante Interpretation. Hervorgehoben wird die Personenführung des Regisseurs Hans Neuenfels und die Ausstattung Reinhard von Thannens. Begeistert zeigen sich die Besucher von Klaus Florian Vogt als Lohengrin. Neben den anderen Sängern wird er immer besonders hervorgehoben – „… verschmolzen mit der Figur“, “… seine Stimme geht unter die Haut“ …
Lohengrin 2010 bis 2012 – was ist neu?
In der Inszenierung (2010) von Hans Neuenfels und der musikalischen Leitung von Andris Nelsons spielt die Oper Lohengrin im dritten Festspieljahr. In der von Wolfgang Wagner eingeführten „Werkstatt Bayreuth“ wird traditionell permanent daran gearbeitet.
2012 hat sich mein Standpunkt geändert – in diesem Jahr sitzt er oben in der Galerie 🙂
Jeder Platz hat seine Vorteile – dieser punktet mit einem schrankenlosen Überblick und einer hervorragenden Akustik, was die Feinabstimmung von Lautstärke, Klangfarbe und Tonhöhe angeht.
„Sei mir gegrüßt …“ oder die Gralserzählung: „In fernem Land, unnahbar euren Schritten liegt eine Burg, die Monsalvat genannt.“ Bei diesen lyrischen Stellen, die Klaus Florian Vogt besonders zart ansetzt, geht einem das Herz auf; oder bei Anette Dasch in Elsas Traumerzählung: „Einsam in trüben Tagen“.
Ebenso deutlich hört sich die Aussprache von Heerrufer (Samuel Youn), König Heinrich (Wilhelm Schwinghammer), Ortrud (Susan Maclean) und Telramund (Thomas J. Mayer) an.
Eine neue Erfahrung, denn fast überall gibt es in Opernhäusern Übertitel. Mitlesen ist schon fast zur Gewohnheit geworden. Klar artikulierende Sänger sind ein ganz neues Erlebnis und purer Genuss!
Übermächtiger Chor
Von oben wirkt der Chor unter der Leitung von Eberhard Friedrich mit seinen gefühlten 200 Sängern übermächtig. Der Chorformation zuzusehen bereitet besonderen Spaß, wenn aus einem chaotischen Rattengewimmel eine Hufeisenform in Viererreihen entsteht – wie geölt rutschend, organisch fließend und dabei virtuos singend. Eine Wucht, dieser Chor.
Hoch geht es her bei Lohengrins in der Hochzeitsnacht.
Nicht etwa gesittet bittet Elsa um den Namen, und Lohengrin versucht ihr zart anzudeuten, dass sie lieber nicht fragen soll. Im Gegenteil. Elsa ist sauer, dass sie nicht einmal den Namen ihres Ehemannes kennt. Sie stellt ihn zur Rede, aber immer mit etwas Abstand. Lohengrin ist über so viel Nichtvertrauen genervt. So schleichen sie lauernd um das Ehebett herum. Als Elsa stolpert und sich wegrobben will, packt Lohengrin sie am Bein und zieht sie zu sich her, um ihr noch einmal eindeutig wütend zu erklären, dass sie ja nie fragen soll. Das Ergebnis ist bekannt, und schon wandelt sich das Blatt. Beide werden leiser und traurig über die verpasste Chance.
Bevor Sie sich demnächst auf die Galerie-Karten stürzen, noch ein Tipp:
Die Galerie ist im wahrsten Sinne des Wortes die Bayreuther „Festspielhaus-Holzklasse“. Nehmen Sie zwei Kissen mit. Eines für den Rücken und eines fürs Sitzfleisch.
Besetzung Lohengrin 2012:
Lohengrin – Klaus Florian Vogt
Heinrich der Vogler – Wilhelm Schwinghammer
Elsa von Brabant – Annette Dasch
Friedrich von Telramund – Thomas J. Mayer
Ortrud – Susan Maclean
Der Heerrufer des Königs – Samuel Youn
1. Edler – Stefan Heibach
2. Edler – Willem Van der Heyden
3. Edler – Rainer Zaun
4. Edler – Christian Tschelebiew
Bayreuther Festspiele 2013: Lohengrin – umjubelter Klaus Florian Vogt
So einhellig einer Meinung ist das Publikum der Bayreuther Festspiele selten: Klaus Florian Vogt triumphiert als Lohengrin. Er steigert sich von Jahr zu Jahr. Das reißt beim Schlussapplaus die Festspielbesucher von den harten Sitzen.
Im vierten Jahr seit der Inszenierung hat sich zum Vorjahr 2012 nichts geändert.
Es könnte daran liegen, dass der Regisseur Hans Neuenfels in diesem Jahr krankheitshalber verhindert war. Es könnte aber auch daran liegen, dass es einfach als perfekt angesehen wird. Die Inszenierung steht – mit allen ihren vielen schönen Details – angefangen von den kleinen rosa Mäuschen bis hin zu den dramatischen „Szenen einer Ehe“ in der Hochzeitsnacht.
Nach wie vor geht Klaus Florian Vogts Stimme und Darstellung als Lohengrin unter die Haut.
Seine klare Aussprache ist überall im Zuschauerraum zu verstehen, egal, ob er von der Mitte oder Seite oder von hinten singt. Er beherrscht sowohl die leisen, lyrischen Töne als bittender Bräutigam als auch die herrischen Töne, wenn’s drauf ankommt: „Niiiie sollst du mich befragen!!!“ Anette Dasch ist ihm eine ebenso ebenbürtige wie autarke Partnerin.
Bayreuth 2014: Lohengrin – Rattenchor als Resonanzboden
Was haben Holländer und Lohengrin in diesem Jahr gemeinsam? In beiden Inszenierungen kann man ohne Gebrauchsanweisung sowohl der Geschichte als auch der Musik folgen. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht – die Musik steht in beiden Opern im Mittelpunkt.
Seit 2010 reift diese Inszenierung von Hans Neuenfels von Jahr zu Jahr. Immer wieder wechselten Sänger, die mit ihrer Persönlichkeit eine andere Interpretation in die Geschichte brachten, siehe Lohengrin 2011 – Was ist neu?. In diesem Jahr zeigt Edith Haller eine neue Charaktereigenschaft der Elsa. Ihre Stimme trägt weiter und ist kräftiger, jedoch steht sie Lohengrin eher zaghaft gegenüber. Sie ist schüchterner als Annette Dasch es die Jahre zuvor war, siehe umjubelter Klaus Florian Vogt . Lohengrin (souveräner Klaus Florian Vogt) hat sich noch nicht an die neue Elsa gewöhnt. Er tritt sehr energisch auf. Eindringlich herrscht er Elsa an: „Niiiiie sollst du mich befragen!“ Wie ein Berserker wirkt er neben der eingeschüchterten Elsa. Die sollte es sich wirklich überlegen, ob sie mit einem solchen unbekannten Namenlosen verheiratet sein will. Nun ja, er hat sie zwar vor Telramund (Thomas J. Mayer) und Ortrud (Petra Lang mit extra gellendem Lachen ) gerettet, aber liebenswürdig oder gar liebevoll ist was anderes.
Welche tragende Rolle spielt der Chor?
Der großartige Chor (Leitung Eberhard Friedrich) bildet einen natürlichen Resonanzkörper für die Solisten. Wenn die Ratten in Schwarz, Weiß oder Gelb im Halbkreis um die Sänger herumstehen, lenken sie die Aufmerksamkeit auf die Solisten. Sobald das Licht ausgeht und die Ratten sich in den Hintergrund verziehen, leuchten ihre Augen rot in der Dämmerung. Sie können sich nur tippelnd bewegen, denn beim Rattenkostüm (Reinhard von der Thannen) sitzt der „Schritt“ an den Knöcheln. Genau so einen eingeschränkten Aktionsradius haben sie an den Armen. Dafür sind ihre Hände/Vordertatzen, mit denen sie sich ausgiebig kratzen, genau so verlängert wie ihre Füße/Hintertatzen. Sie rutschen auf dem Bühnenparkett hin und her, als hätten sie Rollen unter ihren Füßen. Niedlich sind die kleinen rosa Ratten, die mit dem erhobenen Sonnenschirm ihrer Gouvernante dirigiert werden.
Sehr souverän dirigiert Andris Nelsons das bravouröse Festspielorchester.
Besetzung Lohengrin 2014
Heinrich der Vogler – Wilhelm Schwinghammer, Lohengrin – Klaus Florian Vogt, Elsa von Brabant – Edith Haller, Friedrich von Telramund – Thomas J. Mayer, Ortrud – Petra Lang, Der Heerrufer des Königs – Samuel Youn, 1. Edler – Stefan Heibach, 2. Edler – Willem Van der Heyden, 3. Edler – Rainer Zaun, 4. Edler – Christian Tschelebiew
Bayreuther Festspiele 2015: verzweifelter Lohengrin – wütende Elsa
Wer diese Inszenierung von Hans Neuenfels von 2010 mit den sympathischen Ratten im Versuchslabor noch hören und sehen sehen möchte, muss sich beeilen, denn im Festspielsommer 2015 wird sie das letzte mal gezeigt.
In diesem Juli/August spielt das Festspielorchester unter der Leitung von Alain Altinoglu. Musikalisch ist das Niveau gleich hoch geblieben.
Auseinandersetzung zwischen Elsa und Lohengrin
Eine eigene Variante bringen Annette Dasch und Klaus Florian Vogt in diesem Jahr in die Schlafzimmer-Szene hinein. Beide sind nicht nur mit ihren Stimmen aufeinander eingespielt, sie agieren auch hervorragend miteinander – wie ein altes Ehepaar 😉.
Elsa bittet nicht etwa, noch versucht sie mit weiblichen Tricks heraus zu bekommen, woher ihr gerade angetrauter Gatte stammt. Nein, sie ist wütend, weil er kein Vertrauen zu ihr hat. Sie überhäuft ihn mit Vorwürfen. Lohengrin versucht verzweifelt, sie von der Frage abzuhalten, die auf ihre Trennung hinausläuft. Fast fleht er sie an, nicht weiter zu bohren – zu spät! Es ist geschehen und er muss gehen.
Als der Abschied naht, versucht er noch zu bleiben. Er windet sich, legt sich auf den Boden, wird aber wie von einer unsichtbaren Kraft weggezogen. Er ist nicht der stolze Held, der Elsa wegen ihrer Neugierde mit einem schlechten Gewissen allein lässt und in das gelobte Land zurück geht. Mit leerem Gesichtsausdruck setzt er einen Fuß vor den anderen, in Richtung Publikum. So lange, bis das Licht ausgeht und der Vorhang fällt.
Besetzung Lohengrin 2015:
Musikalische Leitung: Alain Altinoglu; Regie: Hans Neuenfels; Bühne: Reinhard von der Thannen; Kostüm; Reinhard von der Thannen; Licht: Franck Evin; Video: Björn Verloh; Dramaturgie und Regie-Mitarbeit: Henry Arnold; Chorleitung: Eberhard Friedrich;
Heinrich der Vogler: Wilhelm Schwinghammer; Lohengrin: Klaus Florian Vogt; Elsa von Brabant: Annette Dasch; Friedrich von Telramund: Jukka Rasilainen; Ortrud: Petra Lang; Der Heerrufer des Königs: Samuel Youn; 1. Edler: Stefan Heibach; 2. Edler: Willem Van der Heyden; 3. Edler: Rainer Zaun; 4. Edler: Christian Tschelebiew
Lohengrin in Bayreuth 2010 – 2015
Selten hat es mir so viel Pläsier bereitet, eine Inszenierung im Laufe der Jahre anzuschauen. Jedes Jahr kamen neue Details hinzu. Jedes Jahr wurde die Personenführung ausgefeilter. Jedes Jahr wurde die Geschichte aus einem anderen Blickwinkel erzählt – besonders variantenreich war das Verhältnis von Elsa zu Lohengrin.
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- Der Fliegende Holländer: Bei dieser Inszenierung muss mensch dabei sein! Nur bedingt kann der Film die Atmosphäre wiedergebenden – mitten in der historischen Werft in Klaipeda – direkt an der Ostsee.