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BuschKollegium im Stephanienbad: Virtuosität ohne Dirigent

Die „Sonntagskonzerte“ der Mendelssohns im Gartensaal ihres Anwesens an der Leipziger Straße in Berlin erinnern an vergangene Zeiten. Ähnliche Atmosphäre bietet das Stephanienbad in Karlsruhe, ein Bau aus derselben Epoche.

BuschKollegium im Stephanienbad
Das BuschKollegium, bestehend aus bis zu 13 Musikerinnen und Musikern, trat ohne Dirigent bei einer Matinee im Stephanienbad in Karlsruhe auf.

Adolf Buschs Divertimento: Virtuosität für 13 Solisten

Ebenso licht wie der hohe Raum wirkt das inspirierte Zusammenspiel im „Divertimento für 13 Soloinstrumente“ op. 30 von Adolf Busch. Das 1924 komponierte Werk ist bei aller Kürze und Knappheit ein Kaleidoskop an geistreichen Einfällen und raffinierter Satztechnik. Dabei scheut sich Busch nicht vor zeitgenössischen Anspielungen – sei es in Richtung Strawinsky, Korngold, Richard Strauss oder dem frühen Arnold Schönberg. Die virtuose Ensemblebehandlung erfordert tatsächlich 13 SolistInnen, die, je nach Situation blitzschnell von Tutti auf Stimmführer oder SolistIn umschalten können müssen – eine Tugend, die jeder/jede Einzelne im BuschKollegium mit großer Selbstverständlichkeit beherrscht.

BuschKollegium: Ein Ensemble mit Entdeckergeist

2012 in Karlsruhe von der Klarinettistin Bettina Beigelbeck, zusammen mit einigen StreicherkollegInnen gegründet, hat sich das variable Kollektiv inzwischen auch international den Ruf eines authentisch arbeitenden Entdecker-Ensembles erworben. Viele der eingespielten Werke von Adolf Busch sowie Josef Schelb sind Erstaufführungen und -aufnahmen. Die Beschäftigung mit der Musik von Frank Zappa lässt Vergleiche mit dem Frankfurter „Ensemble Modern“ („The Yello Shark“) oder auch dem vor Jahrzehnten in Karlsruhe auf seinem Gebiet führenden „Ensemble 13“ (Manfred Reichert) zu. Hatte die Verortung von Letzterem mit der Nähe zu Wolfgang Rihm zu tun, so ist es beim BuschKollegium das dem Max Reger-Institut in Karlsruhe-Durlach angegliederte Brüder Busch-Archiv sowie die Musikhandschriftensammlung der Badischen Landesbibliothek, wo unter anderem der Nachlass des badischen Komponisten Josef Schelb aufbewahrt wird.

Schuberts Oktett: Spielfreude und sinfonische Tiefe

Von den drei ursprünglich vorgesehenen Programmpunkten musste leider das Stück „Thunder“ für Pauke solo von Peter Eötvös wegen Indisposition des Solisten entfallen und so gab es statt einer Spanne von fast 200 Jahren eine Gegenüberstellung des Busch-Divertimentos mit dem 1824 entstandenen Oktett D803 für Klarinette, Horn, Fagott und Streichquintett von Franz Schubert. Bereits auf treffliche Weise eingestimmt, erlebte das Publikum im zweiten Teil des Konzerts eine auffallend spielfreudige Aufführung dieses, die Divertimentoform deutlich sprengenden Werks, das ohne Beispiel ist. Viele Momente wie beispielsweise die langsamen Einleitungen zum ersten und letzten Satz sowie die registerartige Behandlung des Streicher- und Bläsersatzes haben sinfonischen Charakter. Schuberts gezielter Einsatz des Mischklangs wirkt zwar mit historischem Instrumentarium noch eindrücklicher, aber selbst mit modernen Instrumenten kann man diese raffinierten „Legierungen“ sehr überzeugend darstellen, wie die 8 bestens aufeinander eingespielten MusikerInnen des BuschKollegiums bewiesen.

Ein echtes Hörerlebnis voller Emotionen

Franz Schubert ist der einzige gebürtige Wiener unter den wirklich großen Komponisten, die dort gelebt und gewirkt haben. Das zeigt sich deutlich in seiner Nähe zu volkstümlich liedhafter, aber auch zur Wienerischen Ländlermusik. Dabei gebraucht er die ihm von früh an vertraute Musiksprache als ein Medium, um seine Seelenzustände erfahrbar zu machen.
Wie kaum ein Zweiter lässt er den aufmerksamen Hörer teilnehmen an seiner Lust, seinem Schmerz und seiner Sehnsucht. Dieses schonungslos authentische Momentum war in der Wiedergabe im Stephanienbad stets gegenwärtig – eine grandiose Leistung des Ensembles, das sich damit eine klare Empfehlung für höhere Aufgaben erspielt hat.

Über den Autor

Wolfgang Wahl, Jahrgang 1948, ist ein im Ruhestand lebender Geiger, Bratscher und Geigenbauer.
Er war 40 Jahre Mitglied der 1. Geigengruppe des SWR-Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg. Als Bratscher spielte er in Ensembles wie dem Ensemble 13, wo er viel zeitgenössische Musik (ur-)aufgeführt hat. Im Barockensemble „Parnassi musici“ brachte er seine beiden Instrumente auch in historischer Version zum Erklingen.
Kammermusikspiel war und ist ihm wichtig. Er beschäftigt sich weiterhin aktiv mit Musik, coacht gerne junge MusikerInnen oder schreibt auf, wie sich seine Arbeitsweise im Alter verändert.
Als gelernter Geigenbauer hat er eine weitere Perspektive auf Streichinstrumente und steht in regem Austausch mit jüngeren neubautreibenden Geigenbauern.
In den letzten Jahren erprobt er sich zudem als Moderator von Konzerten und schreibt gelegentlich für Fachmagazine.

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