Hat Schönberg es so gewollt? Er hatte die Idee, dieses musikalische Drama im Film aufführen zu lassen, und 1913 kam nur der Stummfilm in Frage.
In den „Filmtheatern“ wurde auf einer großen Leinwand der Film abgespult, vorn saßen die Musiker – später nur noch ein Pianist – und spielten die Musik dazu.
Genau so sah es das Stuttgarter Publikum im Staatstheater am 16. März 2012. Die Musik kommt aus dem Orchestergraben im Vordergrund, der Sänger singt von der Seite. Ausgelöst wurde es durch einem (Un)Glücksfall. Shigeo Ishino, „Ein Mann“ und gleichzeitig Hauptdarsteller, hat sich die Schulter verrenkt und konnte sich nicht bewegen, aber dafür sehr gut singen – und Shigeo Ishimo singt mit so deutlicher Aussprache, dass die Obertitel überflüssig werden.
„Ein Mann“ träumt, dass ihm alles gelingt, und zwar mit links. Das Ziel seiner Sehnsucht ist „Ein Weib“. Aber er schafft es nicht, sie zu erobern. Zwölf Gestalten stehen um ihn herum und kommentieren sein Tun. Am Ende lachen sie ihn aus. Siehe → ♫ Inhalt / Handlung: „Die Glückliche Hand“ mit Musik und Libretto von Arnold
Das Bühnenbild besteht aus einem Vorhang mit goldenen Strähnen, der die Farbe je nach Licht wechselt. Zum Hintergrund passende, lange strähnige Hausmäntel, trägt der Chor der zwölf Personen. Strumpfmasken mit Schlitzen für Mund und Augen verdecken die Köpfe.
Wenn „Ein Mann“ im ersten Bild den Vorhang zur Seite anhebt, sehen die Zuschauer ein überdimensionales Elefantenbein, Busen wie Kuppeln, Kopf gesichtslos – ist auch unnötig. Er merkt einfach nicht, dass „Ein Weib“ einerseits zu groß für ihn ist und andererseits nichts von ihm wissen will, denn sie ist nur eine aufblasbare Puppe. Allerdings ist sie nicht mit gleichnamigem Spielzeug aus dem Sexshop zu verwechseln. Sie ist riesig groß – nimmt die ganze Bühne ein – liegend ist sie mannshoch. Mit Hilfe „Eines Herrn“, seines Nebenbuhlers, schafft er es, auf sie drauf zu klettern.
Überdeutlich bewegt der eingesprungene Regieassistent Dirk Schmeding den Mund wie zum Singen, gepaart mit weit ausladenden Hand-, Kopf-, und Körperbewegungen, wie sie in einem Stummfilm üblich sind.
„Ein Mann“ durchlebt einen Alptraum. Das Schlimmste, was einem Schwerenöter passieren kann. Er versucht, „Ein Weib“ zu erobern, aber das reagiert nicht – auf nichts! Teilweise beutelt der Mann die Riesenpuppe wie ein Hundewelpe sein Spielzeug. Nachdem er erkennen muss, dass er „Das Weib“ nicht erobern kann, schüttelt er seine Hände derart heftig, dass es so aussieht, als würde ein Film mit doppelter Geschwindigkeit ablaufen.
Die zwölf Gestalten amüsieren sich über ihn. Am Schluss gehen sie um den erschöpften, aber erfolglosen „Mann“ herum. Während ihn die Umstehenden auslachen, krallt er sich an ihrem überdimensionalen Busen fest. Am Schluss liegt er völlig erschöpft auf ihrem luftleeren Kopf, neben dem lädierten Busen.
Nachdem sie ihn noch tüchtig ausgelacht haben, gehen die zwölf Gestalten ab. Als Siegeszeichen streckt der Mann den Arm (war es der linke?) in die Höhe. Freudianer könnten in dieser Geste ein Phallus-Symbol erkennen. Mitleidsvoll bedecken die Gestalten die erhobene Hand mit einem Hausmantel. Wie im Traum, sowohl wirklich als auch unwirklich.
Jossie Wieler und Sergio Morabito wählten für ihre Inszenierung den Konflikt zwischen Mann und Frau, den „Ein Mann“ im Alptraum verarbeitet – absolut stimmig. Der Stuttgarter Opernchor unter der Leitung von Winfried Maczewski gestaltet daraus ein packendes und bewegendes Musiktheater. Das gilt auch für „Schicksal“, die zweite Kurzoper dieses Abends -> „Schicksal“ von Leoš Janáček – Oper ohne Ende
„Die glückliche Hand“ von Arnold Schönberg in der Oper Stuttgart
Musikalische Leitung: Sylvain Cambreling
Regie und Dramaturgie: Jossi Wieler, Sergio Morabito
Bühne: Bert Neumann
Kostüme: Nina von Mechow
Licht: Lothar Baumgarte
Chor: Winfried Maczewski
Ein Mann: Shigeo Ishino
Fotos: A.T. Schaefer
Diese Aufführung „Die glückliche Hand“ von Arnold Schönberg fand am 16. März 2012 in der Staatsoper Stuttgart statt.
Die glückliche Hand:
- Hat Schönberg es so gewollt, wie es die Oper Stuttgart spielte? Er wollte dieses musikalische Drama im Film aufführen zu lassen, und 1913 kam nur der Stummfilm in Frage.
- Seine 20-Minuten-Oper Die glückliche Hand hielt Schönberg selbst für unaufführbar. Lesen Sie jetzt! Einer Verfilmung hätte er zugestimmt unter der Bedingung: „An der Musik wird nichts geändert!“ Schönberg bezeichnete dieses Werk als „ein Drama der gestörten Liebesbeziehung” – einen Traum.