Katja Kabanova wird von Ehemann und Geliebtem allein gelassenen. Sie geht lieber in die Wolga, als ihrer Schwiegermutter zu gehorchen.
Inhalt der Oper; Inszenierung an der Stuttgarter Staatsoper.
Erster Akt – Katja verliebt sich in Boris; ihr Mann verreist und lässt sie mit der Schwiegermutter allein.
Nur kurz kann der Lehrer Kudrjáš die Ruhe am Ufer der Wolga genießen, bevor er den tyrannischen Kaufmann Dikoj erleben darf, der seinen Neffen Boris vor sich hertreibt und genervt verschwindet. Die beiden exerzieren eine Art Überlebenstraining, das mit Boris‚ Volljährigkeit endet – oder auch nicht!
Verhält sich Boris gegenüber seinem Onkel Dikoj gehorsam, erhält er das Erbe seiner Großmutter. Verweigert er den Gehorsam, erbt sein Onkel Dikoj. Kaum tritt Ruhe ein, nahen die Kaufmannswitwe Kabaniča, mit ihrem Sohn Tichon und dessen Frau Katja, in die Boris heimlich verliebt ist.
Tichon liebt ebenfalls seine Frau Katja.
Das ist wiederum der bisherigen Alleinherrscherin Kabaniča ein Dorn im Auge, denn sie fühlt sich zur Zweitfrau degradiert. Zum Abkühlen befiehlt sie Tichon eine zweiwöchige Reise auf den Markt und bekrittelt alles an Katja, was ihr gerade so einfällt – und das ist eine ganze Menge.
Katja vertraut daheim Warwara ihr ungutes Bauchgefühl an, sich die Liebe zu einem anderen Mann einzubilden.
Katjas Mann verreist und lässt sie mit der Schwiegermutter allein.
Als sich Tichon von ihr verabschiedet, bedrängt sie ihn, ihr ein Versprechen abzunehmen. Sie, Katja, soll ihm, Tichon, schwören, dass sie, Katja, in seiner Abwesenheit keinen anderen Mann anschaut. Statt dessen plappert das Muttersöhnchen brav alles nach, was die Kabaniča ihm vorsagt, was zusammengefasst als „der Schwiegermutter bedingungslos gehorchen“ abgekürzt werden kann. Von „keinen anderen Mann anschauen“ hat er nichts gesagt – was für den Ausgang der Oper von Bedeutung sein soll.
Zweiter Akt – Warwara und Katja treffen sich heimlich mit ihren Geliebten
Warwara kümmert sich nicht um die Meinung und Verbote ihrer Pflegemutter Kabaniča, streicht ihr Honig um den Bart und macht, was sie will. Sie will Spaß haben und findet Mittel und Wege. Ganz einfach umgeht sie die geschlossene Gartentür des Landsitzes, das von der Kabaniča immer verriegelt gehalten wird. Sie besitzt einen Nachschlüssel. Mit dem Lehrer Kudrjáš trifft sie sich, während die Mägde Glaša und Fekluša Schmiere stehen. Erst ziert sich Katja, dann macht sie es mit Boris genau so.
Dritter Akt – Katja Kabanowas Ehebruch und Tod in der Wolga
Auch Katjas Ehemann Tichon kehrt einmal von seiner Reise zurück; das normale Leben geht weiter. Während eines heftigen Gewitters treffen sie sich in einem Unterstand: Kudrjáš, sein Freund Kuligin, Dikoj, Kabaniča, Tichon, Katja, Boris und andere (Chor). Auf taube Ohren stößt Kuligin, der das Gewitter mit Elektrizität erklären will. Ein Gewitter wird hier als Strafe Gottes angesehen. Genau so sieht es Katja, die ob der Heftigkeit von Donner und Blitz ihr Techtelmechtel mit Boris eingesteht. Auf Ehebruch – wohlgemerkt, wenn es sich um die Frau handelt – steht die Todesstrafe.
Katjas Tod in der Wolga
Bevor sie gelyncht wird, flieht sie lieber nach draußen Richtung Wolga. Hier findet sie Boris. Er möchte sich jedoch nur, mit Krokodilstränen im Auge und einer sehnsuchtsvollen Arie auf den Lippen, von ihr verabschieden. Nach Katjas Ehebruch-Geständnis hat ihn sein Onkel Dikoj ins äußerste Sibirien verbannt. Boris entscheidet sich klar für Geld statt für Liebe und bringt damit zwei Menschen den Tod. Katja kann diese Entscheidung emotional nicht verkraften und geht in die Wolga. Tichon bricht über der gefundenen Leiche zusammen – gibt aber vorher die Schuld dafür an seine Mutter Kabaniča weiter. So hat er ihr wenigstens einmal in seinem Leben widersprochen.
Kátja Kabanová, Oper in drei Akten von Leoš Janáček
Libretto ebenfalls Leoš Janáček, nach Alexander Nikolajewitsch Ostrowskis Schauspiel „Gewitter“.
Von 1919 bis 1921 arbeitete Janáček an der Komposition. Die Uraufführung fand am 23. November 1921 im Nationaltheater Brünn statt, die deutsche Erstaufführung am 8. Dezember 1922 im Opernhaus Köln. Schon damals galt der Opernstoff als sozialkritisch. Sie spielt in einem Dorf an der Wolga in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Max Brod übersetzte den Operntext ins Deutsche. Häufig wird in Tschechisch gesungen, mit deutschen Übertiteln, denn die Sprachmelodie ist darauf ausgerichtet.
Personen
Sawjol Prokofjewitsch Dikoj, ein Kaufmann (Bass)
Boris Grigorjewitsch, sein Neffe (Tenor)
Marfa Ignatjewna Kabanová (die „Kabaniča“), eine reiche Kaufmannswitwe (Alt)
Tichon lwanytsch Kabanow, ihr Sohn (Tenor)
Katja, seine Frau (Sopran)
Váňa Kudrjáš, Lehrer, Chemiker, Mechaniker (Tenor)
Warwara, Pflegetochter der Kabaniča (Mezzosopran)
Kuligin, Freund des Kudrjáš (Bariton)
Glaša, Fekluša, Dienerinnen bei der Kabaniča (Mezzosopran)
Eine Frau aus dem Volk (Alt)
Bürger (Chor)
Katja Kabanova mit Musik von Leoš Janáček in der Stuttgarter Staatsoper
Durch die ganze Oper ziehen sich rhythmische Sprachmelodien, häufig als Sprechgesang, der sich aus dem Tschechischen ergibt. Die Melodien bewegen sich oft auf einer Tonhöhe – so wie es gesprochen wird. Janáček entfernt sich hier von dem gewohnten Gesang klassischer Arien. Die kleinste seelische Regung spiegelt sich sofort in der (Orchester)Musik wieder. Selbst wenn noch nichts zu sehen ist, bereitet Janáček durch die Klangfarben das Kommende vor.
Spitzenleistung in allen Partien
Hervorragend setzt es das Orchester der Stuttgarter Staatsoper unter der Leitung von Michael Schønwandt um.
Die ausführlichen deutschen Übertitel sind einerseits wunderbar, da sie viel zum Verständnis beitragen. Andererseits sind die Augen ständig abgelenkt vom Bühnengeschehen.
Hervorragende Sänger und Sängerinnen, gleichzeitig überzeugende Darstellerinnen
In dieser Inszenierung von Jossi Wieler und Sergio Morabito dreht sich alles um Unterdrückung und Erlösung. Dikoj (Johann Tilli mit kräftigem Bass) und Kabanicha (Leandra Overmann macht ihr Manko „Reibeisen-Stimme“ mit ihrer Darstellungskraft wieder wett) tyrannisieren ihre Umgebung, sehnen sich aber nach Zuneigung. Boris und Katja müssen besonders unter ihnen leiden und wagen nicht, sich ihre Liebe einzugestehen – angenehme Stimmen, besonders (Katja) Mary Mills und (Boris) Pavel Černoch, der wunderschön weiche, lyrische Tenor. Tichon (Torsten Hofmann) versucht es sowohl seiner Mutter Kabanicha als auch seiner Frau Katja recht zu machen, scheitert aber daran. Kudrjasch (Matthias Klink) und Warwara (Tina Hörhold) finden heimlich ihren eigenen Weg. Beide überzeugen durch Stimme und Darstellung. Heinz Göhrig als Kuligin und Motti Kastón als ein Passant zeigen auch in kleinen Partien ihr großes Können. Glascha Diana Haller und Fekluscha Pinelopi Argyropoulou punkten mit Stimme, huschen als Mägde über die Bühne und trampeln lautstark, um Katja und Warwara zur Heimkehr zu bewegen. Beide sind Mitglieder des neu gegründeten Opernstudios, das junge Sänger fördert.
Drastische Szenen – warum eigentlich?
Reduziert wird diese Sehnsucht nach privatem Glück und Herzenswärme auf eine Reihe von Kopulationsszenen, die sich durch die ganze Oper ziehen. Erst wälzen sich Tichon und Katja auf dem Boden, dann lässt die Kabanová den betrunkenen Dikoj unter ihren Rock kriechen. Auf einer Gerüst treiben es Warwara und Kudrjáš, während sich Katja und Boris ihre Liebe eingestehen, die schließlich auch breitbeinig endet. Kurz bevor Katja ins Wasser geht, wird sie noch schnell vergewaltigt.
Derart drastische Darstellungen waren bisher bei Wieler/Morabito in der Form nicht üblich.
Nun ja – wer’s mag.
Wie hätten – in einer Atmosphäre von Unterdrückung, Gewalt, Eifersucht – bange, liebevolle oder aufkeimende Gesten der Zärtlichkeit gewirkt.
Ausstattung Katja Kabanova – Bühne und Kostüme: Quer über die Bühne verläuft der Zaun
Die Bühne gestaltet Bert Neumann, die Kostüme Nina von Mechow
Ein langer Zaun, mittendrin ein Tor, verläuft quer über die Bühne. Kudrjasch (Matthias Klink) springt darüber hinweg. Boris (Pavel Černoch) wird von seinem Onkel Dikoj (Johann Tilli) nach außen geprügelt. Warwara (Tina Hörhold) besorgt sich einen Schlüssel für das Tor. Katja (Mary Mills) hat es geschafft, nach draußen zu kommen, findet aber nicht mehr zurück. Dieser Zaun trennt, sperrt ein und schützt die Holzvilla reicher Kaufleute. Das Zimmer auf der linken Bühnenseite sieht aus wie eine überdimensionale Buchstütze. Senkrecht steht in Lebensgröße das gemalte Bild einer Wohnküche, wie sie wohl in einer russischen Datscha üblich war. Die Teppiche auf dem Bild verlängern sich real auf dem Boden. Vor dem großen Bild steht eine lange, grüne Bank, auf der sich Katja und Warwara unterhalten. Hier spielt sich das häusliche Leben ab; hier wird gearbeitet; hier beklagt sich Katja bei Warwara, dass sie in dieser Umgebung verkümmert.
Katja Kobanova Kostüme – nicht ganz alt, nicht ganz neu – Stilmix in jeder Richtung
Je traditioneller sie in ihren Gedanken verhaftet sind, umso althergebrachter die Kleidung. Der Despot Dikoj (Johann Tilli ) trägt den russischen Kosakenkittel. Die Kabanová kleidet sich mit einem weiten, langen Rock, über Kopf und Schultern ein großblumiges Dreieckstuch mit Fransen. Leandra Overmann mit ihrer röhrenden Stimme, gepaart mit Mimik und Gestik, verkörpert glaubhaft das Böse an sich. Für derartige Rollen scheint sie qualifiziert zu sein. Katja versucht, sich anzupassen und steckt auch in einem typischen Stilmix.
Warwara gibt sich modern in T-Shirt, Jeans und hohen Schuhen. Zum Rendezvous mit Kudrjasch trägt sie ein rotes Kleid – die Farbe von Liebe, Glut und Aktivität. Warwara hält nichts von Konventionen, ebenso wenig wie Kudrjasch, der in zeitlosem Anzug mit dunklem Hemd herumläuft, das er ab und an öffnet. Er springt sportlich über den Zaun und macht auf einem Blumenkübel davor Handstand.
Katja Kabanova mit Musik von Leoš Janáček In Tschechisch mit deutschen Übertiteln
Aufführung in der Staatsoper Stuttgart
Musikalische Leitung Michael Schønwandt
Regie und Dramaturgie Jossi Wieler und Sergio Morabito
Bühne Bert Neumann
Kostüme Nina von Mechow
Licht Lothar Baumgarte
Chor Johannes Knecht
Besetzung am 6. Mai 2010
Dikoj Johann Tilli
Boris Pavel Černoch
Kabanicha Leandra Overmann
Tichon Torsten Hofmann
Katja Mary Mills
Kudrjasch Matthias Klink
Warwara Tina Hörhold
Kuligin Heinz Göhrig
Glascha Diana Haller
Fekluscha Pinelopi Argyropoulou
Ein Passant Motti Kastón
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