Während im Fruchtkasten die Lieblingsstücke von Museumsbesuchern ausgestellt sind, befindet sich mein persönliches Lieblingsstück gegenüber im Alten Schloss in der Kunstkammer.
Die Fächer der Zarentöchter.
Zwei Fächer aus Elfenbein befinden sich in der Kunstkammer der Württemberger
Herzöge im Alten Schloss in Stuttgart. Sie gehörten den Töchtern des Zaren. Ihre Initialen in kyrillischen Buchstaben – Katharina und Anna – sind in einer Art Medaillon in die Fächer hineingearbeitet, direkt unter der Zarenkrone. Ihr Bruder – Zar Alexander I. – ließ vor über zweihundert Jahren in seinem Auftrag die Welt umsegeln. Von dieser langen Weltreise brachte Adam Johann von Krusenstern, der Leiter der Expedition, verschiedene Gaben aus fernen Ländern mit. Aus China stammen diese aus dem sagenumwobenen Elfenbein gefertigten Radfächer – gearbeitet aus Riesenzähnen eines unvorstellbar großen und gefährlichen Tieres.
Man stelle sich zwei kichernde junge Mädchen vor…
In einem gewissen Alter haben sich die Prinzessinen wohl nicht von anderen Backfischen, Teenies oder Girlies unterschieden.
Als Flirtinstrument ist so ein Fächer nicht zu verachten – durch Blicke über den Spitzen Rand hinaus. Er schafft nicht nur Kühlung, sondern kann auch die errötete Trägerin verbergen.
Chinesische Handwerkskunst auf dem Elfenbeinfächer.
Selbst wenn die beiden Zarentöchter den voll aufgespannten Fächer direkt vors Gesicht halten, wird es ihnen nicht langweilig. Chinesische Künstler ritzten in das Elfenbein allerfeinste Landschaften, Pagoden und Szenen, die durch ihre Gesichter, Mimik und Gestik Geschichten erzählen. Durch die feinen Schlitze im Elfenbein können die Trägerinnen beobachten, was außen vor sich geht, ohne selbst gesehen zu werden. Ideal für junge Mädchen, die auf ihre Bestimmung warten. Sie werden an ein Königshaus verheiratet, um dadurch die Dynastie zu festigen und das Reich zu mehren.
Am dünnen Ende liegen die einzelnen Blätter übereinander – verbundenen durch einen Metallstift. Oben am Rand hält ein Band die Segmente zusammen, Werden die Fächerteile nebeneinander ausgebreitet, ergibt sich eine Radform, wie eine Sonnenblume.
Wird der Fächer nicht mehr gebraucht, findet er seinen Platz in einem dazugehörigen Köcher.
Diese Schutzhülle entfaltet die gleiche Pracht wie der Fächer. Der Behälter ist ebenfalls aus Elfenbein geschnitzt, mit genauer Passform. Wenn auch nur eines der wertvollen Blätter nicht exakt über den anderen liegt, passt der Fächer nicht in den Köcher. Die kleine Szene mit dem Paar in einem chinesischen Garten (siehe Foto) kann der Künstler wohl nur mit Hilfe einer Lupe gearbeitet haben.
Katharina heiratete den Kronprinzen Wilhelm von Württemberg.
Sie könnte ihren Fächer mitgebracht haben. Wieso allerdings der Fächer ihrer Schwester Anna sich in der Kunstkammer befindet, kann nicht einmal die Kuratorin Sabine Hesse sagen. Man weiß nicht genau, ob die Fächer je gebraucht wurden – so gut sind sie erhalten.
Übrigens – welches ist Ihr Lieblingsstück?
Fotos: (c) Landesmuseum Württemberg