Janáček schrieb eine Oper über eine Frau, die von ihrem Liebhaber verlassen wurde. Jossi Wieler und Sergio Morabito stellen diesen Liebhaber in den Mittelpunkt – nicht so sehr als Mann, sondern als egozentrischen, suchenden Künstler in einer immer währenden Schaffenskrise.
Siehe: ♫ Inhalt / Handlung: Schicksal – Oper von Leoš Janáček
In einem eleganten Kurbad wird Míla (bezaubernd: Rebecca von Lipinsky), eine schöne junge Frau, von drei Verehrern belagert. Der sportliche Dr. Suda (Heinz Göhrig) ist ihr dicht auf den Fersen. Konečný (Michael Ebbecke) schafft es gerade noch, ihr zu folgen. Lhotský (Karl Friedrich Dürr) bekommt fast einen Herzkasper – aber was tut ein Kurschatten nicht alles für seine Kursonne. Míla jedoch hat nur Augen für den Einen, der sie ablehnt.
Bühnenbildner Bert Neumann installierte zwei Laufbänder, auf dem die Kurgäste entweder mit Laufrichtung, und damit schnell über die Bühne gehen. Oder sie gehen gegen die Laufrichtung, ganz langsam auf der Stelle, grüßen nach allen Seiten, wie es im Kurpark üblich ist.
Nina von Mechow entwarf stilvolle Kostüme der Jahrhundertwende, mit großen, breitkrempigen Hüten. Eher die Bademode für ein elegantes Ostseebad.
Vier Jahre später lebt die Familie in einer Einzimmerwohnung.
Auf der einen Seite steht ein Klavier, auf dem Živný (John Graham-Hall singt mit ausdrucksvoller Stimme) versucht, die passende Musik für seine Oper zu finden. Míla liegt scheinbar entspannt auf einem Chaiselongue und liest ein Buch. Živný sucht den Schluss für die Oper, die ihre gegenseitige Liebe zum Inhalt hat. Sohn Doubek sitzt in einem vergitterten Laufstall. Selbst er gibt sich Mühe, so leise wie möglich zu sein, um den Vater nicht zu stören. Aus einem Regal holt er sich einen Comic und liest zusammengekauert in seinem Gittergehege. Vorn steht ein Wäscheständer. In einer solchen Umgebung ist geistig, kreative Arbeit unmöglich.
Dann kommt noch die Mutter (emotional Rosalind Plowright) mit wirrem Blick und aufgelösten Haaren. Míla bemüht sich pflichtbewusst um ihre Mutter, während sich Živný entnervt auf das Sofa legt, sich das Buch vor die Nase hält. Ab und an schaut er über den Buchrand, ob und wann die Szene endlich vorbei ist. Es sieht nach Wiederholung aus.
Als sich erst seine Schwiegermutter – die ihre Geldkassette über den Balkon schmeißt und hinterher springt – dann die ihr helfen wollende Ehefrau über den Balkon in den Tod stürzen, wendet sich Živný ab und legt zerstreut die Wäsche zusammen – typisch für eine Ersatzhandlung eines unter Hochspannung stehenden Menschen.
Zehn Jahre sind inzwischen vergangen.
Der Chor der Studenten tritt im dritten Akt mit schwarzen, engen Hosen und Pullis auf, alle mit einer gelben Partitur vor der Nase. In einem Saal studieren sie den Schluss seiner abrupt endenden Oper ein. Živný wirkt deutlich gealtert. Sein Sohn ist zu einem hochaufgeschossenen Halbwüchsigen ohne erkennbares Selbstbewusstsein herangewachsen. Živný redet mit Doubek nur im Befehlston, betrachtet ihn als Klotz am Bein und Wurzel allen Übels.
Während Živný den Studenten seine Geschichte erzählt, befiehlt er seinem Sohn, ihm Wasser zu bringen. Als der mit einem Glas wiederkommt, trägt er das Kleid und den Hut seiner Mutter. Živný sinkt ohnmächtig zu Boden, als er seine Frau zu sehen glaubt, erhebt sich aber und bestimmt: „Den Schluss weiß Gott allein“ – Basta.
Schicksal (Osud) von Leoš Janáček in der Oper Stuttgart
Die Inszenierung besticht mit sehr gut herausgearbeiteten Charakteren der ideal besetzten Sänger. Das Stuttgarter Staatsorchester unter der Leitung von Sylvain Cambreling spielt die hochkomplexen Partituren sehr klangschön und erstaunlich durchsichtig, so dass die schwierige Balance zwischen Bühne und dem Orchester inklusive Bühnenmusik immer gewahrt bleibt. Das gilt für beide Opern dieses Abends, sowohl für Schicksal, als auch für -> ♫ „Die glückliche Hand“ von Arnold Schönberg – Gefühlter Stummfilm