Konzert Tipp Bochum: Flöte, Bratsche, Harfe – drei Instrumente, die sowohl ein individuelles Eigenleben führen als sich auch in der Gemeinschaft wohlfühlen.
Genau das zeigen Martina Overlöper (Flöte), Kerstin Beavers (Bratsche), Susanne Bürger (Harfe) in dem „Prélude“ aus der „Suite Bergamasque“, komponiert 1909 von Claude Debussy.
Katja Heinrich liest aus der Sciencefiction-Geschichte „Die Maschine steht still“
Geschrieben von Edward Morgen Forster, 1909!
Die Handlung spielt in einer Welt, in der die Menschen – wie in einem Bienenstock – allein in einem sechseckigen Zimmer leben. Jeder hat ein Tisch, ein Bett und einen Stuhl zur Verfügung, denn mehr ist nicht nötig. Das Leben in der freiwilligen Isolation wird durch die Maschine bestimmt. Computersüchtige von heute verkriechen sich ebenso, schotten sich nach außen ab und sind damit zufrieden.
Vashti, ein 1,5 Meter großer Fleischklops, geht in ihrem Zimmer die Tagespost durch, die aus dem All gesprochen wird. Sämtliche Kontakte laufen über die Maschine. All die Belanglosigkeiten, wie das Essen schmeckt und so weiter, beantwortet sie gereizt – Facebook vor über 100 Jahren. Dann wird sie mit ihrem Sohn Kuno verbunden, der auf der anderen Seite der Erde lebt. Sie schaut in eine blaue Scheibe, die undeutlich verwaschen sein Gesicht zeigt. Heute nennt man es „skypen“.
In der Uraufführung von Xaver Paul Thoma wird Kommunikation in Töne umgesetzt
Xaver Paul Thoma hat bei seiner Komposition die Kurzgeschichte von Forster nicht gekannt. Erstaunlicherweise lassen sich viele parallele Beziehungen und Ausdruckselemente zwischen der Partitur und der Kurzgeschichte finden. Vashtis Ungeduld mit den Fragen äußert sich in der Flatterzunge der Flöte. Kunos Ungeduld im Getrappel der Harfe. Zwischendurch ist die Bratsche um Harmonie bemüht. Die Bratsche vermittelt in beide Richtungen. Es passt haargenau zu dieser Geschichte – überraschend. Xaver Paul Thoma komponierte dieses Stück 2017 und widmete es dem Trio Mallarmé.
Die Schauspielerin Katja Heinrich liest aus „Die Maschine steht still“ von E. M. Forster
In „A pink-lit phase“ (1997) von Eve de Castro-Robinson spiegelt sich dieses Suchen. Unruhe kommt auf durch Pizzikati, Flatterzunge, kleine Tonschritte zeigen das Suchen im Walde. Schrilles Pfeifen verrät Angst vor etwas Neuem.
In Philip Glass‘ „Music similar motion“ von 1969 finden Kuno und Vashti ihren Weg. Langsam, in kleinen Schritten gehen sie auf ihr Ziel zu. Sie gehen in ihrem eigenen Rhythmus, in Wellen, die sich in jedem Abschnitt kaum merklich verändern. Ihr Weg verdichtet sich mehr und mehr, bis er mit vollen Klang endet.
Toru Takemitsu zeigt in „And then I knew ‚twas Wind“ von 1992 , dass das Leben außerhalb der Maschine nicht so einfach ist. Die Komposition verläuft nicht durchgehend. Ständig kommt ein Anlauf, mal für Bratsche, mal Flöte, mal Harfe. Abgehackt, immer Anfänge suchend. Die Pausen markieren neue Wege.
Die Geschichte von E. M. Forster endet damit, dass die Maschine plötzlich still steht.
Das „Elegiac Trio“ (1916) von Arnold Bax zeigt zwei verschiedene Wege. Vielleicht wähnt Arnold Brax sich noch in einer Depression, bewegt sich aber schon in Richtung Optimismus. Das Licht am Ende des Tunnels. Die Harfe spielt ein Kopfhoch-Solo. Es zeugt von Aufrappeln und In-die-Bahn-kommen. Allmählich finden Vashti und Kuno sich im Fluss des Lebens ein.
Ein Neuanfang, der bei Forster heißt: „Wir sterben, also werden wir jetzt leben“
Konzert Tipp für ein Literaturkonzert, geprägt von Harmonie.
Drei Musikerinnen, die sich schon lange kennen und viel miteinander gespielt haben. Eine wenig bekannte Kurzgeschichte eines bekannten Autors, auf die die Musik genau abgestimmt ist – für diese Besetzung nicht einfach. Katja Heinrich wählte die Texte aus, liest eindringlich vor, lässt Bilder im Kopf entstehen, die sich in Klänge verwandeln.
Unterstützt wird das Klangerlebnis in der Bochumer Christuskirche durch einen Zufall, der ein eindrucksvolles Raumerlebnis auslöst. Nach einem Gewitter scheint die Sonne mit aller Kraft durch die blauen Glasfenster. Lichtstrahlen fallen auf eine Zukunftsgeschichte, die nach über hundert Jahren in der Wirklichkeit angekommen ist. Musik, die diese Geschichte in Töne umwandelt. Ein faszinierendes Programm entwickelt sich zu einem Erlebnis, das lange im Gedächtnis bleibt.
- Erleben Sie das BuschKollegium mit einer einzigartigen Darbietung von Kammermusikwerken von Adolf Busch, Reger-Liedern und Johannes Brahms, die Klarinette und Streicher in den Mittelpunkt stellt.
- Die erste Hälfte des Konzerts ist vorbei. Das Ensemble „Spark“ brillierte mit Bearbeitungen zu drei unterschiedlichen Komponisten: Bach, Berio, Beatles. Und wer meint, dass Blockflöten, Bratsche, Cello und Klavier in dieser Kombination doch wohl kaum etwas mit den Werken von den Beatles zu tun haben, sollte diese Musiker einmal hören – unbedingt live hören!
- Staatsorchester Stuttgart stellt sein Konzertprogramm 2021/2022 vor. Die Musiker sind bestens bekannt als Opernorchester, begleiten Balletttänzer und entfalten sich in Konzerten. Instrumental-Musik pur – ohne alles und mit nichts!
- Das kleinste mögliche Konzert besteht aus einer Musikerin und einer Zuhörerin. Es findet an den attraktivsten Standorten statt. Während der Pandemie 2020 war es für Musikerinnen oftmals die einzige Gelegenheit, vor Publikum zu spielen. Zuhörerinnen erlebten die Musik direkt gegenüber.
- Kunst ist überlebenswichtig. Das gilt für Oper, Museum, Theater, Konzert, Kabarett, Marionettenbühne, Ausstellung, Straßenkünstler, Märchenerzähler, Kino, Musical, Zirkus …