James Bond: Das vielleicht größte Agenten-Phänomen der Filmwelt ist auch im geschriebenen Wort mehr als nur einen Blick wert. Ian Fleming erweckte 007 vor über 64 Jahren zum Leben; der Rest ist Geschichte. Worin liegt der Reiz der Romane des britischen Schriftstellers? Warum greifen die Menschen, nicht nur eingefleischte Bond-Fans, noch heute zu den Werken und vergessen mit ihnen alles um sich herum? Eine Annäherung.
Die ungebrochene Begeisterung für 007
Wenn am 8. November 2019 der neueste James Bond-Streifen auf die Leinwand kommt, werden die Kinobesucher wieder einmal Schlange stehen. Schlange stehen für die Klassiker-Reihe unter den Agenten-Filmen. Daniel Craig, der aller Voraussicht nach für zwei weitere Filme zurückkehrt, verkörpert abermals den eiskalten, auf das einzige Ziel fokussierten britischen Agenten und zieht damit die vielen Fans in seinen Bann. Nicht zu Unrecht möchte man meinen, doch Bond kann viel mehr als nur die zwei Stunden Kinofilm. Die Grundlage liegt in den Romanen von Ian Fleming, erstmals 1953 erschienen.
Interessanterweise war es Royale, welches als erstes Action-Abenteuer vor 64 Jahren das Licht der Bücherwelt erblickte. Erst weit später kam die Geschichte, bereits mit Craig als Bond, dann auch auf die Leinwand und lässt 007’s private Seite etwas mehr in den Vordergrund rücken, die Liebesgeschichte um Vesper Lynd inklusive. Das große Baccarat-Duell gegen Le Chiffre wurde damit nicht nur im Film zum großen Erfolg, sondern weit zuvor im geschriebenen Wort. Ohnehin ist es ein immer wiederkehrendes Motiv in den Bond-Abenteuern und anderen Filmhits. Neben Royale ist der Protagonist auch in Dr. No, Feuerball, Diamantenfieber und Golden Eye beim Spiel zu beobachten. Durch die hohe Bedeutung in der Kultur, bei Weitem nicht nur der damaligen Zeit, eignete sich die Thematik mehrfach perfekt für die Story rund um den härtesten Agenten der Welt.
Ian Flemings Bücher wurden unterdessen auch ohne die Hilfe der Filme zu einem Erfolg auf ganzer Linie. Weit mehr als 100 Millionen Exemplare wurden mittlerweile verkauft. Insgesamt war er als Autor für 14 verschiedene Werke verantwortlich, die er bis zu seinem Tod 1964 erschuf. Sein Erbe wurde von anderen Autoren mehr oder weniger erfolgreich fortgesetzt. Und doch sind es vor allem Flemings Worte, die einen großen Einfluss auf die Filme hatten und ein deutlich breiteres Bild erzeugen können, als dies im begrenzten filmischen Rahmen möglich wäre. Viele Details finden sich wieder, doch lange Dialoge und Beschreibungen von Orten und Situationen wird man ohne die Bücher vergeblich suchen.
Starke Charakterzeichnung des Autors
„The scent and smoke and sweat are nauseating at three in the morning.“
Die ersten Worte von Royale stellen den Leser recht schnell darauf ein, auf was er sich bei der Lektüre freuen darf. Es beweist im folgenden Kapitel den unglaublich ausgefeilten Charakter, den Fleming in 007 erschuf. Nicht zuletzt diese Detailverliebtheit sorgt noch heute für begeisterte Leser. Die Kunst des Autoren liegt darin, den Leser mitzunehmen, ihn die Geschichte fühlen zu lassen und dabei trotzdem den eiskalten, eigentlich kaum nahbaren Hauptcharakter zu zeichnen. Trotz allem durfte der Charakter nicht zu auffällig gestaltet werden. Damit bleibt Bond meist eine neutrale Figur, während die verrückten Dinge aller Art um ihn herum geschehen. Um trotzdem eine gewisse Informationsbreite zu gewährleisten, wurden einige Stützen rund um den Charakter aufgebaut. Einer davon ist der berühmte Martini, den 007 stets geschüttelt, nicht gerührt, genießt. Als Anekdote gab Fleming einst zum Besten, dass er den Drink selbst kaum herunter bekam, als er ihn einige Wochen später testete. Insbesondere die extravagante Lebensweise des Hauptdarstellers lockte damals bereits viele Leser an, die noch unter den Nachwehen des Weltkriegs litten und sich nach dem beschriebenen Luxus jeglicher Art (Essen, weite Flüge, glamouröse weibliche Charaktere) sehnten.
Die folgenden Bücher Flemings gaben schließlich immer mehr Preis, ließen auch das private Leben des Agenten etwas mehr zum Vorschein kommen. In On Her Majesty’s Secret Service heiratet James Bond im Jahr 1963, doch das Glück ist nur von kurzer Dauer und verstärkt die stets vorhandene mystische und dunkle Atmosphäre. Blofeld tötet die Ehefrau von Bond an deren Hochzeitstag, sodass abermals nur das alleinige Leben bleibt. Während viele der Geschichten selbst entsprechende negative Untertöne besitzen, bringt Fleming nichtsdestotrotz Leben in die Szenarien, in dem er viele Details und Eindrücke der Umwelt einbindet, ohne sie das Gesamtbild stören zu lassen. Somit entsteht ein besonders reales Gefühl der Story. Direkt nach On Her Majesty’s Secret Service, im 1964 erschienenen You Only Live Twice, kommt an das Tageslicht, dass die Eltern von Bond aus verschiedenen Regionen Europas kommen: die Mutter aus der Schweiz, der Vater aus Schottland. Er selbst hingegen wurde im Alter von elf Jahren zum Waisenkind. Solche Hintergrundgeschichten lassen den Leser tiefer in die Welt hineintauchen und die Hintergründe besser nachvollziehen.
Auch für die Vorbereitung auf den kommenden Film ist das Lesen der alten Romane vielleicht nicht die allerschlechteste Idee. Eventuell sieht man so Dinge auf der Leinwand, die man vorher überhaupt nicht wahrgenommen hat, doch die mit der Lektüre von Fleming plötzlich viel mehr Sinn ergeben.